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Bundesgerichtshof zur Werbung mit dem markenrechtlich geschützten „ÖKO-TEST-Siegel“

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Der unter anderem für das Markenrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in drei Revisionsverfahren zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen die Benutzung von Testsiegel-Marken die Rechte des Markeninhabers verletzt.

Sachverhalt:

Die Klägerin gibt seit 1985 das Magazin „ÖKO-TEST“ heraus, in dem Waren- und Dienstleistungstests veröffentlicht werden. Sie ist Inhaberin einer im Jahr 2012 eingetragenen Unionsmarke, die das ÖKO-TEST-Siegel wiedergibt und markenrechtlichen Schutz für die Dienstleistungen „Verbraucherberatung und Verbraucherinformation bei der Auswahl von Waren und Dienstleistungen“ gewährt. Die Klägerin gestattet den Herstellern und Vertreibern der von ihr getesteten Produkte die Werbung mit dem ÖKO-TEST-Siegel, wenn diese mit ihr einen entgeltlichen Lizenzvertrag schließen.

Die Beklagten sind Versandhändler und haben in ihren Online-Shops mit dem ÖKO-TEST-Siegel geworben, ohne zuvor einen Lizenzvertrag mit der Klägerin geschlossen zu haben.

Die Beklagte in dem Verfahren I ZR 173/16 bot in ihrem Internetportal eine blaue Baby-Trinkflasche und einen grünen Baby-Beißring an, die von der Klägerin in einer anderen Farbgestaltung getestet worden waren. Neben den Produktpräsentationen fand sich jeweils eine Abbildung des ÖKO-TEST-Siegels, das mit der Bezeichnung des getesteten Produkts, dem Testergebnis „sehr gut“ und der Fundstelle des Tests versehen war.

Die Beklagte in dem Verfahren I ZR 174/16 bot in ihrem Internetportal einen Lattenrost in verschiedenen Größen und Ausführungsformen sowie einen in Schwarz, Weiß und Rot gehaltenen Fahrradhelm an. Neben den Angeboten war das mit der Bezeichnung des getesteten Produkts, dem Testergebnis „gut“ bzw. „sehr gut“ und der Fundstelle des Tests versehene ÖKO-TEST-Siegel abgebildet. Die Klägerin hatte den Lattenrost in einer bestimmten Größe mit verstellbarem Kopf- und Fußteil getestet. Den Fahrradhelm hatte sie in einer anderen Farbgestaltung als den von der Beklagten angebotenen Helm getestet.

Die Beklagte in dem Verfahren I ZR 117/17 bot in ihrem Internetportal einen Lattenrahmen und ein Kopfkissen in verschiedenen Größen an. Neben den Angeboten befand sich jeweils eine Abbildung des ÖKO-TEST-Siegels mit dem Zusatz „Richtig gut leben“ sowie mit der Bezeichnung des getesteten Produkts, dem Testergebnis „gut“ bzw. „sehr gut“ sowie der Fundstelle des Tests. Der Lattenrahmen und das Kopfkissen waren von der Klägerin jeweils nur in einer der angebotenen Größen getestet worden. Erst nach der Veröffentlichung des Angebots durch die Beklagte schlossen die Parteien einen Lizenzvertrag zur Nutzung des ÖKO-TEST-Siegels für das Kopfkissen in der getesteten Größe.

Die Klägerin sieht in der Werbung mit dem ÖKO-TEST-Siegel jeweils eine Verletzung ihrer Rechte an der Unionsmarke. Sie hat die Beklagten auf Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch genommen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das Landgericht hat der Klage in dem Verfahren I ZR 173/16 stattgegeben und die Klage in dem Verfahren I ZR 174/16 abgewiesen. In der Berufung waren beide Klagen erfolgreich. Das Berufungsgericht hat angenommen, bei der Klagemarke handele es sich um eine bekannte Marke. Die Beklagten hätten im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 Buchst. c GMV und Art. 9 Abs. 1 und 2 Buchst. c UMV die Wertschätzung der Klagemarke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausgenutzt, indem sie ein ähnliches Zeichen in der Werbung benutzt hätten. Der Klägerin müsse aus Gründen des Markenrechts die Entscheidung darüber vorbehalten bleiben, ob im konkreten Fall die beworbenen Produkte als von ihr getestet dargestellt werden dürfen.

Im Verfahren I ZR 117/17 hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht hat angenommen, zwischen der Klagemarke und dem von der Beklagten verwendeten Zeichen bestehe trotz des Zusatzes „Richtig gut Leben“ Identität im Sinne des Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a GMV. Die Beklagte habe auch die Dienstleistung erbracht, für welche die Klagemarke eingetragen ist, und damit die Werbefunktion der Marke beeinträchtigt. Der später abgeschlossene Lizenzvertrag entfalte keine Rückwirkung. Ein Unterlassungsanspruch der Klägerin ergebe sich außerdem aus Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c GMV, weil das ÖKO-TEST-Siegel eine bekannte Marke sei, deren Wertschätzung die Klägerin in unlauterer Weise ausgenutzt habe.

Mit ihren vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revisionen verfolgen die Beklagten ihre Klageabweisungsanträge weiter.

Der Bundesgerichtshof hat die Verfahren I ZR 173/16 und I ZR 174/16 mit Beschlüssen vom 18. Januar 2018 (dazu Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs 14/2018 vom 18. Januar 2018) und das Verfahren I ZR 117/17 mit Beschluss vom 20. November 2018 jeweils bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) im dortigen Verfahren C-690/17 ausgesetzt. In jenem Verfahren hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 30. November 2017 (20 U 152/16, GRUR 2018, 617) Rechtsfragen zur rechtsverletzenden Benutzung derselben Marke vorgelegt, die auch für die Entscheidung der Streitfälle erheblich sind. Diese Fragen hat der EuGH mit Urteil vom 11. April 2019 (GRUR 2019, 621 – ÖKO-Test Verlag/Dr. Liebe) beantwortet.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Art. 9 GMV (VO [EG] 207/2009) lautet auszugsweise:

(1) Die Gemeinschaftsmarke gewährt ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht. Dieses Recht gestattet es dem Inhaber, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr

a) ein mit der Gemeinschaftsmarke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die sie eingetragen ist; […]

c) ein mit der Gemeinschaftsmarke identisches oder ihr ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die nicht denen ähnlich sind, für die die Gemeinschaftsmarke eingetragen ist, wenn diese in der Gemeinschaft bekannt ist und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Gemeinschaftsmarke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.

Art. 9 UMV (VO [EU] 2017/1001) lautet auszugsweise:

(1) Mit der Eintragung einer Unionsmarke erwirbt ihr Inhaber ein ausschließliches Recht an ihr.

(2) Der Inhaber einer Unionsmarke hat unbeschadet der von Inhabern vor dem Zeitpunkt der Anmeldung oder dem Prioritätstag der Unionsmarke erworbenen Rechte das Recht, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, wenn

a)das Zeichen mit der Unionsmarke identisch ist und für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch sind, für die die Unionsmarke eingetragen ist; […]

c)das Zeichen mit der Unionsmarke identisch oder ihr ähnlich ist, unabhängig davon, ob es für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch sind oder denjenigen ähnlich sind, für die die Unionsmarke eingetragen ist, wenn diese in der Union bekannt ist und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Unionsmarke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.

 

Vorinstanzen:

im Verfahren I ZR 173/16

LG Berlin – Urteil vom 8. September 2015 – 102 O 13/15

KG Berlin – Urteil vom 21. Juni 2016 – 5 U 136/15

im Verfahren I ZR 174/16

LG Berlin – Urteil vom 28. Juli 2015 – 103 O 5/15

KG Berlin – Urteil vom 21. Juni 2016 – 5 U 108/16

 

Im Verfahren I ZR 117/17

LG Koblenz – Urteil vom 25. Januar 2017 – I HK O 21/15

OLG Koblenz – Beschluss vom 22. Juni 2017 – 6 U 198/17

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von factum
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